Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Twenty One Pilots in KölnWenn das Konzert zur Gruppentherapie mit Feuershow wird

Lesezeit 4 Minuten
01.05.2025, Köln: Konzert von der Band Twenty One Pilots in der Lanxess Arena.

Foto: Michael Bause

Tyler Joseph, Sänger der Band Twenty One Pilots, lässt sich in der Kölner Lanxess-Arena von seinen Fans tragen.

Twenty One Pilots lieferten in der Kölner Lanxess-Arena eine spektakuläre Bühnenshow. Ihre Musik spricht vielen aus der Seele.

Auf den Straßen von Deutz überall Gestalten in dunklen Sturmhauben, oder langen, roten Kutten, Menschen mit schwarz bemalten Händen und Hälsen - wenn man es nicht besser wüsste, hätte man meinen können, die Lanxess-Arena, auf die sich diese Masse langsam zubewegt, sei zum Tempel eines mystischen Kults geworden. Ganz falsch läge man damit nicht. Tatsächlich aber handelt es sich um das Konzert zweier Jungs aus Ohio, bekannt als Twenty One Pilots. 

Als der Frontsänger des Duos, Tyler Joseph, an diesem Abend zwischen Rauch und Feuer vor die Menge tritt, ist seine Stimme unter dem Kreischen und Jubeln der Fans kaum zu hören. Auch er trägt eine Sturmmaske, seine Hände sind schwarz, denn er ist ‚Clancy‘ - die Figur, um die die Band seit Jahren ein ganzes Universum spinnt und nach der das neuste ihrer insgesamt vier Konzeptalben benannt ist. Neben Joseph auf der Bühne der Arena steht nur sein Bandkollege, der Schlagzeuger Josh Dun. Dass in dieser minimalistischen Besetzung, in der Dun auch hin und wieder einen Synthesizer bedient und Joseph abwechselnd Gitarre und Ukulele spielt oder mal am Piano sitzt, die übrige Soundkulisse vom Band kommen muss, stört hier niemanden. 

Spektakuläre Bühnenshow: von Feuer bis Zaubertricks

Die beiden liefern eine perfekt choreografierte Zweimann-Show ab, machen Backflips vom Piano, lassen sich vom Publikum tragen, wechseln ständig von der Hauptbühne zu kleineren Emporen im Publikum. Gleich zu Beginn stürzt sich Joseph rücklings hinter die Bühne, um dann wenige Sekunden später aus der Dunkelheit in der obersten Empore der Arena wieder aufzutauchen und endlich seine Maske fallen zu lassen. Auch solche Zaubertricks gehören zum Repertoire ihres Zeremoniells.

Böse Bischöfe beherrschen in der Welt der Pilots eine fiktive Gefängnisstadt, aus der sich Clancy zu befreien versucht. In dem schnellen Song mit dunklen Untertönen „Nico and the Niners“ werden die Bischöfe besungen, die für verschiedene Ängste stehen – darunter die Angst vor dem Tod, dem Verlassenwerden oder auch die Angst vor der Angst. Sie sind die inneren Dämonen, mit denen nicht nur der Sänger selbst, sondern viele andere Menschen in ihrem Leben zu kämpfen haben. Twenty One Pilots sind damit die Helden der Anti-Helden, die Stimme der Ängstlichen und Depressiven. Hier fühlen sie sich endlich gehört und verstanden. Die Zeilen sprechen ihnen aus der Seele, das Konzert wird zur kollektiven Therapiesitzung - nur eben mit Feuershow.

01.05.2025, Köln: Konzert von der Band Twenty One Pilots in der Lanxess Arena.

Foto: Michael Bause

Tyler Joseph (li.) und Josh Dun lieferten in der Lanxess-Arena eine spektakuläre Zweimann-Show

Twenty One Pilots sind die Stimme der Ängstlichen und Depressiven

„Kannst du meine schwere, schmutzige Seele retten?“, skandiert die ganze Arena gemeinsam mit Tyler Joseph etwa zu „Heavydirtysoul“, einem genreübergreifenden Wirbel aus Rap und Industrial-Beats. „Das ist kein Rap, das ist kein Hip-Hop / Nur ein weiterer Versuch, die Stimmen zum Schweigen zu bringen“, heißt es im ersten Vers. Überhaupt changiert die Musik der beiden locker von einem Genre ins nächste, von ruhigen Klavier- oder Ukulele-Stücken zu lautem Rock. Mal singt, mal rappt Joseph. Immer kennen die Fans jedes Wort.

In „Stressed Out“ (2015) besingen die beiden die verschwundene Leichtigkeit der Kindheit und schufen damit einen Radiohit, der sie auch im Mainstream bekannt machte - und ihnen einen Grammy bescherte. In der Arena drehen sich zum Hip-Hop-Sound des Lieds hinter ihnen virtuelle Tierskelette in einem makabren Memento-Mori-Karussell.

Aufgewachsen sind Joseph und Dun beide in konservativen, christlichen Elternhäusern. Als Teenager durfte Josh Dun keine Rock- und Hip-Hop-Platten hören, Alben von Green Day versteckte er unter seinem Bett. Erst später gaben die Eltern nach und erlaubten ihm, im Keller ein Schlagzeug aufzubauen - nach der Kölner Show kann man ihnen nur danken, denn dass er sein Handwerk nicht nur beherrscht, sondern auch großen Spaß daran hat, das zeigte der Drummer von der ersten bis zur letzten Sekunde. Schweißgebadet und unter tosendem Applaus verlassen die Pilots nach über zwei Stunden die Bühne - und die jetzt fröhlich-beseelte Skelettbande schwärmt in die sommerlich warme Nacht aus.

OSZAR »